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Drei Tage Radierung – Die Kunst, Alltägliches neu zu sehen

  • Dr. Bernd Gülker
  • 28. Mai
  • 2 Min. Lesezeit

Tag 1: Die Linie beginnt – Einführung in die Welt der Radierung

In einer Zeit, in der Bilder oft nur digital entstehen und genauso flüchtig verschwinden, bietet die Radierung ein Kontrastprogramm: langsam, haptisch, tiefgründig. In unserem dreitägigen Workshop tauchen wir ein in die vielseitige Technik der Radierung und erkunden, wie sich mit Linien, Flächen, Strukturen und Farben selbst einfache Alltagsgegenstände in eindrucksvolle Kunstwerke verwandeln lassen.



Zunächst steht die klassische Kaltnadel- und Ätzradierung im Fokus. Hier entdecken wir die Ausdruckskraft der Linie – präzise oder skizzenhaft, zart oder kraftvoll. Besonders spannend: Schon eine einfache Kaffeetasse oder ein zusammengeknüllter Stofffetzen lässt sich mit feinem Strich erstaunlich realistisch wiedergeben. Die Radierung erlaubt es, Dinge nicht nur darzustellen, sondern zu durchdringen – ihre Materialität und Präsenz werden fast fühlbar.


Tag 2: Fläche trifft Struktur – Aquatinta, Reservage und Vernis mou

Heute erweitern wir unser Repertoire: Die Aquatinta eröffnet uns die Welt der Flächen und Tonwerte. Mithilfe von feinem Kolophoniumstaub entstehen nuancierte Abstufungen, die sich perfekt eignen, um Licht und Schatten realistischer Alltagsgegenstände wie Glas, Obst, Metall oder Stoff zu modulieren. Auch einfache Tiermotive werden durch die Arbeit mit Aquatinta zu kleinen Meisterwerken der Kontraste.



Mit der Reservage-Technik lassen sich gezielt helle Bildbereiche schützen – das schafft nicht nur starke Kontraste, sondern auch Raum für Bild(t)räume: Wo endet die Form, wo beginnt die Interpretation?


Spannend wird es mit Vernis mou: Diese Technik ermöglicht es, Texturen und spontane Spuren direkt ins Bild zu übertragen – etwa die Struktur eines Stoffes, den man auf die Platte legt, oder den Abdruck eines Blattes, das man hineindrückt. Der spontane Charakter dieser Technik bringt überraschende Ergebnisse hervor – eine Hommage an das Alltägliche, das durch die Radierung zur Poesie wird.


Tag 3: Farbe, Kombinationen, Experimente – Die Kunst der Vielschichtigkeit

Am dritten Tag nehmen wir die Farbradierung in den Blick. Mehrfarbdrucke entstehen auf mehreren Platten oder durch geschickte partielle Einfärbung einer einzigen Platte. Manche Teilnehmer:innen wagen sich sogar an das Zerlegen und Neu-Zusammensetzen ihrer Druckplatten – eine spielerische Dekonstruktion, die neue Sichtweisen auf vertraute Gegenstände eröffnet.


Und schließlich: Die Handkolorierung nach dem Druck. Mit Aquarellfarben oder Zeichenmaterialien werden gedruckte Motive weiterbearbeitet – eine Technik, die dem Bild zusätzliche Tiefe und Lebendigkeit verleiht. Eine auf den ersten Blick nüchterne Alltagsdarstellung kann so eine emotionale Dimension gewinnen.



Ein Fest der Möglichkeiten

Drei Tage lang dürfen wir erleben, wie sich mit traditionellen druckgrafischen Techniken neue Wege der Bildfindung eröffnen. Ob konzentriert an einem Gegenstand gearbeitet oder frei experimentiert – die Radierung erweist sich einmal mehr als Medium mit unerschöpflichen Möglichkeiten. Die Kombination aus Handwerk, künstlerischer Freiheit und dem Reiz des Unvorhersehbaren macht sie zu einem perfekten Werkzeug, um den Zauber des Alltäglichen sichtbar zu machen.

Neugierig geworden?

Der nächste Workshop vom 03. bis 05. Oktober ist bereits in Planung – mit Zeit für Experimente und vertiefte Technikerkundung. Vielleicht sehen wir uns ja dort, an der Presse! Oder auf der PAPER PRINT, der Bochumer Grafikmesse vom 28. bis 30. November!


 
 
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